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Mit Mut und Liebe

24. März 2022

Thorsten Klimek ist der Kellermeister bei HIRTH. Wer sich mit ihm unterhält, merkt schnell, dass er seine ganz eigene Vorstellung davon hat, wie ein richtig guter Wein sein sollte. Wir unterhielten uns mit ihm über Entscheidungsfreude, Intuition und Fingerspitzengefühl – und über den neuen Jahrgang. Ein Interview.

Lieber Herr Klimek, Hand aufs Herz: Weiß oder Rot? Was ziehen Sie vor?
(lacht) Da bin ich ganz einfach: Rotwein im Winter, Weißwein im Sommer.

Was hat Sie persönlich zum Wein gebracht?
Wie viel Zeit haben Sie für dieses Gespräch? Nein, im Ernst. Es ist eine längere Geschichte. Ich stamme aus Niedersachsen, habe lange in Berlin gelebt, war in einem ganz anderen Bereich tätig. Wein kannte ich zunächst, weil ich gerne italienische Weine mag, auch französische. Ich glaube, bin einfach sehr frei und unvoreingenommen auf das Thema Wein und Weinerzeugung zugegangen und habe mir diesen Blick immer erhalten. Wenn ich hörte „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder etwas in der Richtung, war das für mich immer eine Steilvorlage dafür, einen anderen Weg zu gehen, etwas Neues zu versuchen. Das hat mich schließlich dahin geführt, was ich heute mache: Weine, die meine Handschrift tragen.

Provokativ nachgehakt: Braucht der Markt Weine mit „Handschrift“?
Sagen wir mal so. Es ist wichtig, sich als Betrieb zu positionieren. Wir befinden uns in einem Markt, in dem der Käufer durchschnittlich 2,31 Euro für eine Flasche Wein zu bezahlen bereit ist. Wir haben immer weniger, dafür größere Genossenschaften, die bei den Weinbauern die Preisschraube ansetzen. Und wir können uns auf neue Player einstellen, zum Beispiel China. Ja, der Markt braucht Weine mit Handschrift, eigenständige Produkte. Mir ist bewusst, dass die Zielgruppe von HIRTH bei zwei Prozent der Käufer liegt, aber diese zwei Prozent wollen gute Weine.

… auch Bio-Weine?
Absolut. Und unsere Zielgruppe weiß, dass Bio-Weine in der Herstellung teurer sind als konventionell hergestellte Weine.

Warum ist Bio eigentlich teurer?
Einfaches Beispiel: Pflanzenschutzmittel. Wenn ich mit konventionellen, synthetischen Mitteln arbeite, legen sich diese wie eine Schicht auf die Pflanze und bleiben dort bis zu zehn Tage. Wenn wir unser Pflanzenschutzmittel versprühen und es regnet, ist es sofort weg. Das macht die Pflege der Reben aufwändiger.

Welche ist die wichtigste Eigenschaft, die einen richtig guten Kellermeister auszeichnet?
Ein guter Kellermeister muss sich auf seinen Geschmackssinn verlassen können – und auf sein Bauchgefühl! Die Intuition ist genauso wichtig wie das Wissen um die chemischen Vorgänge. Hier müssen Sie immer den gesamten Prozess im Auge behalten. Das ist wie einem Dominospiel. Ganz gleich, wie Sie entscheiden, Sie setzen eine Kettenreaktion in Gang. Ein guter Kellermeister braucht den Mut zum Risiko, das ist wohl die wichtigste Eigenschaft.

Was ist für Sie als Kellermeister die größte Herausforderung?
Die richtige Entscheidung zu treffen! Was mache ich mit den Trauben? Verarbeite ich sie sofort oder lasse sie stehen und wenn ja, wie lange? Es gibt keinen zweiten Versuch. Ich bin sicher: Wenn Sie Trauben aus einer Lage, am selben Tag gelesen, an fünf Kellermeister geben, erhalten Sie fünf völlig unterschiedliche Weine.

Was macht die Einschätzung so schwierig?
Die Trauben sind unterschiedlich gereift, manche haben viel Sonne bekommen, andere nicht…

In den kommenden Tagen geht der neue Jahrgang in den Verkauf. Wie würden Sie ihn charakterisieren? Was macht ihn aus? Was unterscheidet ihn?
Es sind alles feine Weißweine, mit einer schönen Säurestruktur. Sie profitieren von unserem Klima – warme Tage, kühle Nächte –, das fördert die Aromenbildung.

Es klang an, dass auch zwei neue Weine in das Sortiment aufgenommen werden. Welche sind das? Was zeichnet diese aus?
Ja, wir haben den Chardonnay Réserve und den St. Laurent neu im Programm. Der Chardonnay Réserve ist zu 100 % in einem neuen Holzfass gereift. Ein spannender Wein! Auch der Rotwein aus der St. Laurent-Traube ist ein echter Wein für Genießer. Wir freuen uns schon auf die Jungweinverkostung!

Gab es in der Verarbeitung besondere Herausforderungen, um Komplexität und Tiefe der Weine zu sichern?
Jeder Wein stellt Dich vor Herausforderungen, zum Beispiel eine hohe Säure. Da kann ich während der Gärung gegensteuern, indem ich der Hefe Gelegenheit gebe, Apfel- in Milchsäure umzuwandeln. Dieser Prozess wirkt sich auch auf die Stilistik des Weines aus. Frage ist nur, will ich das.

Wenn Sie die Weine von HIRTH gedanklich „durchschmecken“ – welcher ist Ihr Favorit?
Ich bin ein Riesling-Freund, aber auch unseren Auxerrois finde ich sehr gelungen.

Alle Weine und Schaumweine von HIRTH sind Bioweine und erhalten immer wieder Bestnoten. Nicht von ungefähr heißt es „Kunst im Glas.“ Verraten Sie uns das Geheimnis? Die Lage, die Sonne…?
Die guten Lagen bei uns spielen natürlich eine Rolle, genau wie das Klima und der Zeitpunkt der Lese. Aber man muss immer dranbleiben, jeden Tag probieren, die Stellschrauben drehen: Wann soll ich die Gärung stoppen? Soll ich Teilmengen entsäuern? Kunst im Glas bedeutet Können – und Geduld: Ich muss dem Wein die Zeit geben, die er braucht.

Wenn Sie Weine von HIRTH mit drei Worten beschreiben würden, wären das:
Bio, trocken, lecker!